hallo,
mir ist natürlich mehrfach aufgefallen, daß ihr Gedichte mögt. Dabei gehts für meinen Geschmack nur immer viel zu sehr durcheinander. Neben "Größen" wie Rilke oder Goethe, die ihr Handwerk natürlich beherrscht haben, gibts immer auch mal wieder herzhaft unbedarfte Reimerein nach dem Motte "reim dich, oder ich freß dich".
Kann man das mal thematisieren? In der Regel sind solche kleinen Reimereien ja tatsächlich richtig lieb gemeint, wenn sie zum Beispiel einem Wochenendgruß mitgegeben werden. Bloß ich kriege dann immer so eine "lala"-Stimmung, wenn ich beispielsweise zu lesen bekomme:
Wenn einmal in fernen Tagen,
Schnee f채llt auf die weite Welt,
k철nnen wir mit Freude sagen,
dass uns der versp채tete Herbst sehr gef채llt.
Darum auf ins sch철ne Wochenende,
und hoffen wir, es zieht sich in die L채nge.
Ich hoffe, Purzel nimmt nicht übel, daß ich ihren Text hier zitiere - aber das ist "Hausfrauenlyrik". Poltrige Reime ohne Rhythmus. Ebenso lieb gemeint wie kunstlos. Das verfängt sich nicht. Das bleibt nicht im Gedächtnis.
Ähnlich ist es mir ja mit einem Text von Goldi kürzlich gegangen. Da waren dann zwar Schüttelreime drin und ein bißchen derber Humor, aber rhythmisch hats dann wieder nicht gestimmt.
Dabei habt ihr doch alle irgendwann mal Heinrich Heine gelesen. Oder vielleicht wirklich Rilke. Oder sogar H철lderlin (der sehr schwer zu verstehen ist). Oder, um es auf den Gipfel zu treiben, das eine oder andere Shakespeare-Sonett. Diesen Sprachbildern kann man sich in der Regel nicht entziehen, da holpert nichts, und wenn sie Reime haben, "stimmen" die. Bei M철rike wars das mit
Frühling läßt sein blaues Bandwieder flattern durch die L체fte.Süße ahnungsvolle Düfte
Und bei Gottfried Benn wars das mit
Wenn ein Gesicht, das man als junges kannteund dem man Glanz und Tränen fortgeküßt,sich in den ersten Zug des Alters wandte,den frühen Zauber eingebüßt
Das liest man doch weiter, ohne wirklich zu wissen, warum. Dabei ist es ziemlich einfach: diese Sprachbilder haben ein inneres Leben, sie sind diszipliniert noch dann, wenn sie nur noch sch철n sein wollen.
Ich mag nun nicht auch noch einen "Gedichte-Wettbewerb" ausrufen, aber ich habe eins, das ich heute mal schnell geschrieben habe, weil es mit Susanne in einem anderen Thread eine kurze Verständigung über den Begriff "Sonett" gab - es ist denn auch eins geworden. Vielleicht zeigt es ein wenig von dem, was ich sonst an vielen von euch sonst verwendeten Texten an "lyrischer Substanz" vermisse (ich finde, es ist mir, weil ich es eilig hatte, nicht wirklich gelungen, aber ihr solltet jetzt herausfinden, was daran eben "nicht gelungen" ist und ob man derlei Sprachbilder heute überhaupt noch neu schreiben darf):
Novembertage. Faltenreiche Stunden,
die sich in fr체hen Abend neigen.
Die letzten Bl채tter an den Birken zeigen
sich gelb. Und Nebel steigenzu langsam auf, um noch die wunden
Konturen aufzuf체llen, die die Morgen
jetzt in sich tragen. V철llig ungebunden
ist jetzt nichts mehr. Selbst Tr채ume schweigen.Novembertage. Manches bleibt verborgen.
Es ist ein Raunen noch. T철nende Zeit.
Die Krähen ziehn auf ihren Wolkenstraßen.Wer jetzt kein Ziel hat, soll sich sagen lassen:
Geh doch und sieh - in allen Gassen
ist Heimweg. Nicht Unendlichkeit.
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