ein gedicht . . . geht mir nicht aus dem sinn . . . In den guten alten Zeiten (F.-J. Degenhardt) Dort im S체drandkrater, hinten an der Zwischenkieferwand, wo im letzten Jahre noch das P채rchen Brennesseln stand, wo es immer, wenn der Mond sich 체berschl채gt, so gellend lacht, dr체ben haust in einem Panzer aus der allerletzten Schlacht jener Kerl mit lauter Haaren auf dem Kopf und im Gesicht, zu dem, wenn es Neumond ist, unser ganzer Stamm hinkriecht. Jener schl채gt ein Instrument aus hohlem Holz und Stacheldraht und erz채hlt dazu, was fr체her sich hier zugetragen hat in den guten alten Zeiten.
Damals konnte, wer da wollte, auf den Hinterkrallen stehn. Doch man fand das Kriechen viel bequemer als das Aufrechtgehn. Der Behaarte sagt, sie seien sogar geflogen, und zwar gut. Aber keiner fand je abgebrochene Fl체gel unterm Schutt. Über Tage und in Herden lebten sie zur Sonnenzeit, doch zum Paaren schlichen sie in H철hlen, immer nur zu zweit. Ihre Männchen hatten Hoden und ein bißchen mehr Gewicht, doch ansonsten unterschieden sie sich von den Weibchen nicht in den guten alten Zeiten.
Damals wuchsen fette Pflanzen 체berall am Wegesrand, doch sie abzufressen galt als äußerst unfein in dem Land. Man verzehrte Artgenossen, selbst das liebenswerte Schwein, doch die aufrecht gehen konnten, fraß man nicht, man grub sie ein. Manchmal durfte man nicht töten, manchmal wieder mußte man. Ganz Genaues weiß man nicht mehr, aber irgendwas ist dran. Denn wer Tausende verbrannte, der bekam den Ehrensold, doch erschlug einen einz’lnen, hat der Henker ihn geholt in den guten alten Zeiten.
Wenn ein Kind ganz nackt und lachend unter einer Dusche stand, dann bekam es zur Bestrafung alle Haaren abgebrannt. Doch war’s artig, hat’s zum Beispiel einen Panzer gut gelenkt, dann bekam es zur Belohnung um den Hals ein Kreuz geh채ngt. Man zerschlug ein Kind, wenn es die Füße vom Klaver zerbiß, doch man lachte, wenn’s dem Nachbarkind ein Ohr vom Kopfe riß. Blut’ge Löcher in den Köpfen zeigte man den Knaben gern, doch von jenem Loch der L철cher hielt man sie Hieben fern in den guten alten Zeiten.
Alle glaubten an den unsichtbaren gleichen Manitu, doch der Streit darüber, wie er aussah, ließ sie nicht in Ruh. Jene malten ihn ganz weiß und andre schwarz oder gar rot, und von Zeit zu Zeit, da schlugen sie sich deshalb einfach tot. Ob die Hand ganz rot von Blut war und die Weste schwarz von Dreck, das war gleich, wenn nur die Haut ganz weiß war, ohne jeden Fleck. Und den Mischer zweier Farben federte und teerte man oder drohte ihm f체r nach dem Tode Feuerqualen an in den guten alten Zeiten.
Und wer alt war, galt als weise, und wer dick war, galt als stark. Und den fetten Greisen glaubte man aufs Wort und ohne Arg. Und wenn Wolken sich am Abend f채rbten, freute man sich noch, und man fraß ganz ruhig weiter, wenn die Erde brandig roch. Denn vom Himmel fiel noch Wasser, und die Sonne war noch weit, und der große Bär, der schlief noch, in der guten alten Zeit. Und die Erde drehte sich nicht pl철tzlich r체ckw채rts und im Kreis. Doch man schaffte rüstig, bis es dann gelang, wie jeder weiß. Und da war Schluß mit jenen Zeiten, mit den guten alten Zeiten.
Und so hocken wir bei Neumond an der Zwischenkieferwand, wo im letzten Jahre noch das P채rchen Brennesseln stand. Und wir lauschen dem Behaarten, der sein Instrument laut schl채gt. Und wir lauschen, lauschen, lauschen n채chtelang und unbewegt. Und wir tr채umen von den guten alten Zeiten und dem Land, wo man 체berall und jederzeit genug zu fressen fand. Unsre Stammesmutter streichelt unser J체ngstes mit den Zehn, manchmal seufzt sie: „O ihr Brutgenossen, war das früher schön in den guten alten Zeiten.“ |
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