hallo,
ein kleines Wort von Heidi in einem anderen Thread hat mich nachdenklich gestimmt. Ich habe in meinem Wohn-/Arbeitszimmer zwei Tische - beide mit besonderer Bedeutung. Der eine ist schwarz, da stehen zwei Pflanzenk체bel drauf, und er ist im Moment f체r mein "Thema" v철llig bedeutungslos. Der amdere aber steht im Zentrum des ganzen Zimmers und sieht von schr채g oben so aus:
Na gut, ich gebe zu, daß ich ihn für das Foto extra freigeräunt habe. Aber was ist ein "Tisch" denn? Da legt man doch das eine oder andere hin, nimmt es ein paar Minuten später wieder fort, tut was andres hin - beispielsweise den Abendbrotteller und einen Weinkrug.
Und zu einem Tisch gehören Stühle. Man möchte sich ja irgendwie "zu Tisch setzen" - oder? Welche Stühle passen nun zu meinem Tisch?
Und was ist denn f체r euch der "Tisch" im Zentrum des Wohnbereichs? Was bedeutet es, sich "zu Tisch" zu setzen?
Um auf Heidis Anmerkung zurückzukommen: mein Tisch sieht, wenn ich ihn zu Demonstrationszwecken mal leer fege und in die Zimmermitte stelle, so aus:
Da steht er nicht immer. Aber es ist aus meiner Sicht ein ganz besonderer (und übrigens sogar wertvoller) Tisch, dessen Geschichte ich kurz erzählen möchte: als ich ungefähr 22 Jahre alt war, mußte ich mich aufgrund verschiedener dummer "Verhältnisse" darauf einrichten, noch einmal im Haus meiner Eltern (das war niemals "ihr" Haus, sondern es war das jeweilige Pfarrhaus der Gemeide, die sie zu betreuen hatten) irgendwie wenigstens für ein Jahr einrichten. Na gut, es gab einen Verschlag auf dem Boden des Pfarrhauses, und ich habe dieses "Zimmer" damals (1974) verputzt und mit einem Ofen versehen, ein Bett gabs auch - fehlte nur ein Bücherregal und irgendwie ein Tisch und ein Stuhl.
Mein Vater war der Pfarramtsleiter, und zu seinem "Amt" gehörten zwei Bauwerke: die eine Kirche war einigermaßen baulich saniert, die zweite in nur knapp hundert Metern Entfernung war eine Bauruine - diese Kirche war nicht einmal durch irgendwelche Bomben im Zweiten Weltkrieg beschädigt worden, aber der Gemeinde fehlte zu DDR-Zeiten ganz einfach die (finanzielle) Kraft, das Bauwerk zu erhalten. Es wurden nur notdürftigste Reparaturen durchgeführt. Und mein Vater meinte dann, daß er im Kirchturm einen Tisch gesehen haben müßte,. den er mir kraft seines Amtes auch übereignen könnte. Wir mußten dazu in den Kirchturm hinaufsteigen, und tatsächlich stand da dieser Tisch - da hatten aber irgendwelche Bauleute mitten in die Tischplatte eine Reihe sehr starker Nägel eingeschlagen. Ich habe keine Ahnung, zu welchem Zweck. Der Tisch selber war völlig verdreckt. Taubenscheiße und Kirchenstaub - und wer sowas sconmal erfahren hat, weiß, wie "aggressiv" eine solche Mischung ist.
Das Ding sah allerdings immer noch stabil aus, trotz Dreck und trotz dieser riesigen Nägel, und mein Vater meinte, ich könne ihn mitnehmen. Das tat ich, ich zog die Nägel heraus, polierte ihn ein bißchen mit einer Schleifmaschine - und seitdem ist es "meiner". Er hat mich von Zwickau nach Jena und von Jena nach Berlin begleitet und ist mir lieb geworden.
Irgendwann um 1994 herum hatte ich mal "Besuch" von jemandem, der sich für Antiquitäten interessierte. Die genauen Umstände kenne ich nicht mehr, aber das war die Zeit, zu der allerhand windige Gesellen wertvolle Teile aus den ehemaligen "DDR-Wohnungen" aufgekauft und sich teilweise daran eine goldene Nase verdient haben. Der Typ bot mir nun nach eienr kurzen Inspektion meines Tisches die geradezu astronomische Summe von 4000 DMark an, er wollte meinen Tisch unbedingt haben und gleich mitnehmen.
Das hat mich stutzig gemacht. Ich habe also meinen Tisch nachgepr체ft - tats채chlich, da ist nirgends auch nur ein winziger Nagel verwendet worden. Hm. Ein paar Sp채ne vom Abraspeln/Saubermachen habe ich auf ihr Alter in einem Uni-Labor untersuchen lassen. Siehe da: mein Tisch ist mindestens 500 Jahre alt und damit nicht "neugotisch" (wie die Kirche, aus der er stammt), sondern vermutlich sogar "fr체hgotisch". Und damit ein seltenes Kulurgut.
Naja, Heidi, wie sieht es dann jetzt mit deiner Bewertung als "rustikal" aus?
Ich habe mittlerweile von zwei Museen Angebote bekommen, die meinen Tisch f체r bis zu 30 000 Euro erwerben wollten - aber was w채re meine Wohnumg ohne "Tisch"?
Mein Tisch ist ganz einfach geduldig. Manchaml liegen irgendwelche Dokumente drauf, manchmal schmeiße ich einfach nur die Post drauf, lasse sie drei Tage liegen, ehe ich sie sortiere, manchmal stelle ich einen Rechner darauf, um ihn reparieren zu können, manchmal stehen meine Schüsseln drauf, in die ich Holunder oder Sanddorn oder irgendwelche anderen Früchte abzupfe - manchmal muß seine Oberfläche zerstörerische Säuren ertragen (bei Sanddorn), manchmal aber wische ich sie einfach nur sauber und stelle ein Abendbrot hin.
Das alles muß mein "Tisch" aushalten. Tut er auch, schließlich ist er mindestens 500 Jahre alt (er enthält für sich selbst und für seinen inneren Zusammenhalt keinen einzigen Nagel). Ich behandle ihn gelegentlich, wenn ich irgendwas mit einem scahrfen Messer zerschneiden muß, ziemlich respektlos. Daher hat er dann bisweilen "Spuren" solcher Schnitte. Aber er hat mich inzwischen etwas über 33 Jahre lang begleitet, und das ist ein Zeitrum, in dem man selbst zu so einem "Möbel" eine Beziehung erwirbt, noch dazu, wenn es sich eben um ein Möbelstück handelt, das seit über 500 Jahren auf die verschiedenste Weise malträtiert wurde. Ich behandle ihn mit Achtung und Vorsicht - aber ich weiß auch, was er alles noch klaglos übersteht, solange ich ihn besitze.
Es ist ein bißchen komisch bzw. nachdenkenswert: dieser Tisch wird mich "überleben". Nur weiß ich nicht, wer nach mir auf ihm ein "rustikales Abendbrot anrichten wird. Ihr habt ihn im übrien auf einigen meiner Fotos bereits gesehen - aber vermutlich ignoriert. Die Aufmerksamkeit gilt schließlich meistens den Dingen, die auf den -tisch kommen, nicht aber dem Tisch als solchem.
Ich betrachte ihn ganz einfach als einen Partner, der niemals ersetzt wedren kann, egal,wieviele Euronen mir vielleicht irgendein Museum bietet. Es ist mir nicht wichtig, ober nun wirklich "frühgotisch" ist (ist er), ich will nur, daß er alles das aushält, was nun eben mal ein Tisch aushalten können muß. Auf der Tischplatte habe ich Verträge unterschrieben, es haben viele Rotweinkrüge darauf gestanden, Sanddornfrüchte habe ihn zu verätzen versucht, aber er hat alles überstanden. Und er sieht immer noch git aus, wenn ich zu irgendeinem besonderen Anlaß mal eine Tischdecke (jaja, sowas hab ich ja schließlich auch) über ihn lege.
Was, wenn nicht diese Tischplatte, wäre geeignet, daß ich mein Abendrot darauf stelle und mich an ihm "zu Tisch" setze (na gut, es fehlt natürlich auf der gegenmüberliegenliegenden Tischseite die "Frau de Hauses")?
Nein, Heidi, meinem Tisch wird die Bezeichnung als "rustikal" einfach nicht gerecht. Er ist viel mehr - und zugleich auch viel weniger.
hallo Amadeus, ich danke Dir für das Statement Deines Tisches. als 1. m철chte ich Dir sagen, dass mir dieser besondere Eichetisch schon immer auffiel wenn Du ihn zeigtest, egal mit Wein - Beeren oder jetzt mit den belegten Broten, beladen So wie Du berichtest, begleitete dieser Tisch Dich mehr als die H채lfte Deines Lebens; diese Erinnerungen allein sind schon garnicht in Euronen umzurechnen. Dass der Tisch aus der fr체hgotischen Zeit stammt, glaube ich Dir gern vor allem nach Deinen Erz채hlungen. Dieser antike Tisch mit der massiven Platte steigert seinen Wert sicherlich von Jahr zu Jahr. Ich habe mittlerweile von zwei Museen Angebote bekommen, die meinen Tisch f체r bis zu 30 000 Euro erwerben wollten - aber was w채re meine Wohnumg ohne "Tisch"? Ich behandle ihn mit Achtung und Vorsicht - aber ich weiß auch, was er alles noch klaglos übersteht, solange ich ihn besitze. So ist es Ama, hege und pflege das wertvolle St체ck! Weiterhin viel Freude und die besten Erinnerungen an die fr체hreren Zeiten w체nscht Dir He
AntwortenLöschendas ist ein prachtst체ck, ama! und wenn's wertvoll noch dazu ist, was sich nicht nur aus dem alter sondern auch aus der "bauweise ohne n채gel" ergibt (schr채nke ohne n채gel kosten im anitquit채ten-gesch채ft ein verm철gen!), dann isses ein st체ck mit familie - und so h채ltst du es ja auch! sch철n, dass dir in keiner notlage der gedanke an "verscherbeln" kam! und ich denke, du wirst einen würdigen nachfolge-besitzer finden - entweder dein lieber gescheiter neffe, der sowas sicher in ehren halten wird, oder eben als vermächtnis an ein museum - vllt wirst du mit ihnen ja handelseinig, dass sie für den erwerb an neffe und nichte einen bestimmten betrag zahlen? durch einen vertrag ließe sich das sicher regeln! du aber freu dich an deinem "rustikalen tisch", der wirklich eine wunderbare form und farbe hat ich hab da auch so ein tisch-geschichtlein l채ngst nicht so alt, aber auch sehr pers철nlich - dazu aber muss ich den tisch erst abr채umen *grins* und das mach ich erst ende der woche - also bis dahin nur soviel: er ist ein "wieder-erkenn-tisch" *g* liebe grüße von susanne
AntwortenLöschenhallo, @ Heidi: tats채chlich ist es wahrscheinlich Eiche - die genaue Holzart haben wir aber nicht im Labor bestimmen k철nnen. Und du hast recht - auf allen diesen Fotos ist es eben immer derselbe Tisch. @ Susanne: nö, es ist mir nie in den Sinn gekommen, da gute Stück irgendwie zu verscherbeln, selbst in argen finanziellen Notlagen nicht. Viele Jahre lang war mir sein "Wert" völlig egal, ich kannte ihn ja auch nicht, ich brauche aber einen Tisch im Zentrum meines Wohnbereichs für alle die Aufgaben, die eben ein "Tisch" zu erfüllen hat. Mein Ansatz in diesem Thread war allerdings ein bißchen anders. Ich würde gerne mit euch mal diskutieren, was denn so ein einfaches Ding, das jeder in seiner Wohnung herumstehen hat und ohne das man gar nicht auskommt, für eine Beachtung verdient. Bei meinem habe ich jahrzehntelang gar nicht gewußt, daß er auch noch wertvoll ist. Das war mir unwichtig. Ich habe ihn schließlich "kostenlos" erhalten, aufgrund der "amtlichen" Entscheidung meines Vaters. Und ich hae ihn so benutzt, wie ich jeden anderen Tisch auch benutzt hätte. Er hatte da schon bisweilen einiges auszuhalten. Ich meine, daß es in jeder Wohnung irgendwas gibt, ohne das man einfach nicht auskommt - Tisch und Stuhl gehören dazu. Über diese Einrichtungsgegenstände macht man sich normalerweise überhaupt keine Gedanken. Man benutzt sie, udn wenn sie aus irgendeinem Grund kaputtgehen, werden sie halt ersetzt. Nur wenn sie fehlen, merkt man, daß die Wohnung irgendwie "unvollständig" ist. Aber aufgrund ihrer Funktion sind Tische und St체hle doch beinahe sowas wie die "Seele" einer Wohnung. Ohne sie geht gar nichts - und ohne Bett auch nicht. Stellt euch doch einfach mal vor, wie eure Wohnung(en) ohne Tisch und Stuhl aussehen w체rde(n), und 체berlegt mal, ob eine "Wohnung" ohne diese beiden Dinge 체berhaupt "funktionieren" k철nnte. Ein Gegenbeispiel (und hier muß ich Heinz um Verzeihung bitten, daß ich ihn als "Gegenbeispiel" zitiere): Kerzenhalter haben wir vermutlich alle auch irgendwo. Spätestens in der Adventszeit werden sie wieder hervorgekramt und irgendwohin gestellt. Aber sie sind niemals mehr als bloß schmückendes Beiwerk, auch ohne Kerzenhalter würde eine Wohnung funktionieren - ohne Tisch und Stuhl allerdings nicht. Ich habe die Geschichte meines Tischs nur deswegen etwas ausführlicher dargestellt, weil ich sah, daß Heidis Bewertung als "rustikal" meinem Tisch nicht gerecht wird. Und ich habe weitergehacht und frage euch explizit: wie "gerecht" werdet ihr denn den Dingen des Alltags gegenüber, die man jeden Tag oftmals benutzt, aber meist gar nicht mehr wahrnimmt? Ich weiß nicht, ob man wirklich erstmal Sozialhilfeempfänger geworden sein muß, um die so kleine Floskel "sich zu Tisch setzen" tatsächlich mit einem "Wert" verknüpfen zu können.
AntwortenLöschen>Ich w체rde gerne mit euch mal diskutieren, was denn so ein einfaches Ding, das jeder in seiner Wohnung herumstehen hat und ohne das man gar nicht auskommt, f체r eine Beachtung verdient.< Hi Ama, das finde ich ein sehr interessantes Thema. Tisch und St체hle als "Seele" der Wohnung zu bezeichnen trifft, denke ich, den Nagel auf den Kopf. M철glicherweise ist es nicht 체berall so wie bei uns, aber f체r meine Familie ist der Esstisch nicht nur ein Gegenstand, an dem man seine Mahlzeiten einnimmt, sondern vor allem ein Treffpunkt und ein Ort der Kommunikation. Alle, außer mir, sind den ganzen Tag bis spät außer Haus und am Abend treffen wir uns nicht nur zum Essen am Tisch, sondern auch, um vom Tag zu berichten, einfach zu reden oder es entwickelt sich hier und da auch eine gute Diskussion. Oft sitzen wir nach dem Essen noch lange beisammen, bis dann jeder wieder seiner Wege geht. Eine Freundin hat gerade gestern gefragt, ob wir nicht Lust hätten, ab und an in der "dunklen Jahreszeit" Karten zu spielen. Als ich sagte, ok, ich hätte nichts dagegen, meinte sie: "Aber bei euch, ihr habt so einen schönen, gemütlichen, großen Tisch." Das fiel mir nun sofort ein, als ich Deinen Thread las. Ja, so ein Tisch übernimmt tatsächlich viele Aufgaben. Er kann Essplatz, Treffpunkt, Arbeitsplatz, Ablage und vieles mehr sein. Lieben Gruß Carol
AntwortenLöschenlieber Ama, dieser Tisch, so denke ich jedenfalls, hat f체r Dich schon immer eine Bedeutung, seit dem er in Deinem Besitz ist. Zu Anfang diente er in der Not und wurde nach den vielen Jahren immer mehr und mehr ein Teil von Dir. Um so 채lter man wird um so mehr lebt man in den - in seinen Erinnerungen. Du hast es berichtet, auch in großer Not h채ttest Du niemals daran gedacht, Dich von diesem M철belst체ck zu trennen. Ich bin sicher, dass Du noch so einige antike Teile in Deinem Haushalt hast, wie zum Beispiel: und vieles mehr.... auch solche Gegenst채nde haben alle ihre Geschichte und gerade deshalb h채ngt man sehr daran. Liebe Grüße Heidi
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